Andacht zum 21.06.2020

Liebe Gemeinde!

Wozu sind wir Menschen da? Was ist der Sinn unseres Lebens? Wie können wir gut leben – das Leben genießen – und in schwierigen Zeiten überleben?

Das sind Fragen, die uns immer wieder umtreiben.

Der Volksmund sagt: „Jedes Häuschen hat sein Kreuzchen.“ „Jedes Dach sein Ach.“ Manchmal wird uns viel abverlangt. Wie können wir dann das Leben dankbar aus Gottes Hand nehmen?

So unterschiedlich wir Menschen sind, eines haben wir alle gemeinsam: das Wissen, dass wir letztlich nicht alles in Händen haben, dass da etwas Größeres sein muss, das alles zusammenhält. Wir spüren, wir sind angewiesen auf Gott, der uns in allen Lebenssituationen eine Hilfe sein will, mehr noch: ein verlässlicher Freund, der uns zur Seite steht.

Was zählt, wenn das Leben immer weniger wird … wir an die Grenzen kommen?

Kaiserin Zita, die letzte Kaiserin Österreichs, starb 1989 und wurde mit allem Prunk beigesetzt. An ihrer Grabstätte angelangt, klopfte der Zeremonienmeister an das Tor. Der Wächter fragte von innen: “Wer begehrt Einlass?“ „Zita, die Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn, Königin von Böhmen, Dalmatien und Kroatien, Großherzogin der Toskana, Herzogin von Lothringen, Großfürstin von Siebenbürgen, Markgräfin von Mähren, Fürstin von Trient und Brixen, Prinzessin von Portugal…“ usw. usw. mehr als 50 Titel Daraufhin der Wächter von innen: „Kenne ich nicht!“ Der Zeremonienmeister klopfte ein zweites Mal. Und der Wächter von innen fragte wiederum: „Wer begehrt Einlass?“ Die Antwort des Zeremonienmeisters: „Zita, ihre Majestät, die Kaiserin und Königin.“ Der Wächter von innen antwortete wieder: „Kenne ich nicht!“ Daraufhin klopfte der Zeremonienmeister ein drittes Mal an die Tür. Der Wächter fragte wieder: „Wer begehrt Einlass?“ Nun lautete die Antwort: „Zita, ein sterblicher und sündiger Mensch.“ Der Wächter sagte: „So komme sie herein!“ Und so öffneten sich dann die großen Tore der Kaisergruft in Wien.

(aus: Kühner, A.: Eine gute Minute)

Diese wahre Begebenheit soll verdeutlichen: letztlich sind wir alle gleich – egal welchen Status wir haben, welche Titel wir tragen, was wir besitzen oder verloren haben. Wir alle sind vor Gott gleich -gleich wertvoll, gleich geliebt und auch gleich in unserem Angewiesensein auf seine Güte.

In uns Menschen ist eine tiefe Sehnsucht nach Leben, nach Liebe, nach einem Getragenwerden in allen Lebenslagen. Gott will diese Sehnsucht stillen. Denn auch Gott trägt eine Sehnsucht in sich – nach seinen Menschen. Schöpfer und Geschöpf gehören aufs Engste zusammen. Er will nicht ohne uns sein. Es entspricht seinem Wesen nicht ohne uns sein zu wollen. Und es entspricht unserem Wesen, unser Leben nicht ohne Gott führen zu wollen.

Gott ist ein Gott des Lebens. Deshalb sagt Jesus: „Ich lebe und du sollst auch leben.“ „Ich bin gekommen, damit ihr das Leben in all seiner Fülle habt.“ Jesus wurde nicht müde darin, uns deutlich zu machen, dass Gott kein Spielverderber, kein Miesepeter, ist – im Gegenteil! Und so wurde Jesus selbst dann auch als „Fresser und Weinsäufer“ bezeichnet, hat Feste gefeiert und Wasser zu Wein verwandelt.

Lebensfreude zu erfahren, das Leben zu genießen – das ist in der Tat eine Form von Gottesdienst. Wir ehren Gott, in dem wir das Leben, das er erschuf, feiern und uns daran erfreuen. „Gott genießen, in dem wir die Welt gebrauchen!“ (nach Augustinus) Darum geht es.

Doch so läuft es oft nicht. Wir verdrehen den Satz, instrumentalisieren Gott „gebrauchen Gott, um die Welt zu genießen.“ Ziel des Genusses ist dann nicht mehr, Gott zu feiern, ihm die Ehre zu geben. Ziel des Genusses ist dann nur noch das Sichtbare, das Äußerliche. Wir suchen das Glück in den Vergänglichkeiten des Lebens, in „Schätzen, die die Motten und der Rost fressen.“ (Mt 6) Gott ist dann nur noch ein nettes Beiwerk für die eigene Selbstverwirklichung – eine religiöse Garnierung an kirchlichen Feiertagen, aber mit unserem Alltag, mit dessen Höhen und Tiefen, hat er dann nur noch reichlich wenig zu tun. Und obwohl ja Gott letztlich in allem bei uns ist – auch in unseren Abwegen und Irrwegen – verlieren wir ihn aus dem Blick in dieser falsch verstandenen Selbstverwirklichung, die auf Kosten anderer gelebt wird, wo einer dem anderen den Rücken zudreht. Wir erkennen seine Gegenwart nicht mehr, haben ihn, uns selbst und unseren Nächsten nicht mehr wirklich im Blick und damit auch den Genuss des Lebens verloren.

Gott genießen heißt: das Leben genießen! Und das Leben finden wir bei Jesus Christus, der von sich sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, außer durch mich.“ (Joh 14, 6)

Die Sehnsucht nach Leben, die Sehnsucht nach Gott, lässt dich offen und aufbruchbereit sein, sie hält dich in Bewegung, lässt dich deine Lebendigkeit spüren. Wenn du dich dieser Sehnsucht in deinem Herzen stellst, erfährst du sowohl in den Höhen wie auch in den Tiefen deines Lebens Gott. Die ganze Vielfalt des Lebens ist der Ort, wo Gott uns nah ist. Lasst uns das wieder in den Blick bekommen und nicht auf unseren Reichtum, unseren Luxus, auf all das Äußere, die Titel und Posten achten, sondern erkennen: Wir sind sterbliche und auf Gottes Liebe und Vergebung angewiesene Menschen! Er will nicht ohne uns sein und öffnet uns die Tür. Lasst auch uns, ihm die Tür öffnen, denn Jesus sagt:

„Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“ (Off 3, 20)

 

In diesem Sinne wünsche ich allen einen gesegneten Sonntag mit einem geöffnetem Herzen für ein Leben in Gottes Gegenwart!

Denn wenn du Jesus die Tür zu deinem Herzen öffnest, wirst du in Jesus eine ganz besondere Tür erkennen: Die Tür zum Herzen Gottes! Jesus sagt: „Ich bin die Tür. Wer durch mich eingeht, der hat das Leben!“ (Joh 10, 9)

Gott segne Dich – heute und an allen Tagen deines Lebens!

Ihr / Euer Pfarrer Bernd Melchert