Nachruf – Pfr. i.R. Prof. Dr. Klaus Otte

Nachruf

Pfr. i.R. Prof. Dr. Klaus Otte –

Pfarrer in Mehren von 1977-2000

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde… Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“                                                                                       Off 21,1+4

 

Pfr i.R. Prof. Dr. Klaus Otte – ein umstrittener, ehrgeiziger, gern über Grenzen gehender Denker. So kennen wir ihn. Ein Christ, der voller Leidenschaft, sich für seine Erkenntnis und die Wahrheit des Evangeliums einsetzte. Dessen Gedanken man verstehen und nachvollziehen konnte oder auch nicht. In dessen Gegenwart man sich inspirieren lassen konnte. Er nahm sein Gegenüber mit in ganz andere Sphären und dann wurde man plötzlich wieder ganz geerdet – in der Wirklichkeit, die ja doch so viel mehr war als unsere kleinen Erkenntnisse über diese. „Das Heilige erden und das Irdische heiligen“ – wirklich alles in Bezug zu Jesus Christus zu verstehen -so kam es mir in Gesprächen mit ihm immer wieder in den Sinn.

Es ging ihm immer um Beides: um Kreuz UND Auferstehung. Beides gehörte für ihn zusammen, trägt doch der auferstandene Christus die Wundmale des Gekreuzigten an sich.

Und genau das spiegele sich in unserer Existenz als Christen wider und auch in der Existenz der Kirche Jesu Christi -diese Spannung zwischen Tod und Leben, zwischen Kreuz und Auferstehung. „Im Tod das Leben sehen und im Jubel das Leid nicht vergessen.“

Kirche war für ihn mehr als die organisierte Kirchengemeinde vor Ort, mehr auch als eine verfasste Landeskirche im größeren Sinne. Kirche als Leib Christi war für ihn grösser und weiter als es sich unsere kleine Vorstellungskraft überhaupt vermag vorzustellen.

So sehr er manchmal in Auseinandersetzung stand mit der organisierten Form von Kirche, so sehr brauchte er sie doch, um sich an ihr zu reiben und sich der Wahrheit des Evangeliums zu vergewissern – und ebenso, damit all sein Vorhaben in und mit der großen weiten Welt überhaupt realisiert werden konnte.

Vor allem aber brauchte er neben seiner Familie und Weggefährten, seine liebe Christa, die eine wirkliche Stütze, Gefährtin und Partnerin für ihn war, manches ausbügelte, wenn er vielleicht mal übers Ziel schoss. Auch sie lehrte ihn – den großen Gelehrten -, andere noch einmal ganz anders zu sehen und Geschehnisse noch einmal ganz anders zu deuten als bisher, so dass andere ihn auf einmal wieder verstanden und er die anderen. „Wahrheit ereignet sich in Beziehung“ – das war ihm wichtig und das wurde eben auch hier spürbar deutlich. Wahrheit war für ihn kein Rechthaben, sondern eine Person: Jesus Christus.

Wenn ich an Klaus denke, dann ist es vor allem seine Leidenschaft, die mich fasziniert, sein Engagement bis ins hohe Alter. Auch wenn ich persönlich nicht immer für mich alles nachvollziehen konnte, was er für sich aus der Botschaft der Bibel herausgezogen hatte, so waren und sind wir doch eins im Grundbekenntnis, dass Jesus Christus unser einziger Trost im Leben wie im Sterben ist. Und diese Gemeinschaft tat gut und baute einander auf.

Meine letzte längere Begegnung mit ihm war Ende Januar 2020 am Küchentisch im Mehrener Pfarrhaus zusammen mit Mohammed, der bereits Christ war und und Mobeen, der nun getauft werden wollte. Klaus lehrte und sprach über Apg 8: „Siehe, da ist Wasser; was hindert‘s, dass ich getauft werde?!“ Wir planten den Taufgottesdienst und es war klar, dass nicht unbedingt alles so laufen würde wie wir es planen, denn mit Klaus gab es immer Überraschungen. Nicht sklavisch verkrampft am Buchstaben hängen, sondern sich inspirieren lassen vom Geist Gottes, der sich jeweils in der Gegenwart offenbart -so verstand er Absprachen – und so ließ er auch anderen Freiheiten! Und so taufte er dann wieder mal einen Menschen in die Liebe Gottes hinein, die sich in Jesus Christus zeigt.

Ich nehme von Klaus Otte mit:

  • sein Angerührt-Sein von der Liebe Gottes,
  • sein leidenschaftliches Denken und Streiten  um der Wahrheit und der Menschen willen – ja um Gottes willen-,
  • sein Begeistert-Sein vom Evangelium,
  • das Aushalten der Spannung, dass wir eine Existenz führen zwischen Kreuz und Auferstehung
  • und in der Gewissheit leben dürfen, dass ER in Beidem gegenwärtig ist –  im Leichten wie im Schweren des Lebens: der lebendige Jesus Christus.

Dafür und auch für seine seelsorgliche Art, die auch mir persönlich sehr gutgetan hat, danke ich Klaus und gebe mit ihm zusammen Gott die Ehre!

Seiner Familie und uns allen wünsche ich die Gewissheit, dass es so viel mehr gibt als unsere kleine Sicht auf die Wirklichkeit. So höre ich Klaus noch heute bei Trauerfeiern mit seiner einzigartig intonierten Stimme über den Friedhof rufen: „Tod – wo ist dein Stachel? Hölle – wo ist dein Sieg?“ (1. Kor 15, 55) oder: „Jesus ruft uns zu: Ich lebe und Ihr sollst auch leben!“ (Joh 14, 19)

Ich wünsche allen, die um ihn trauern- vor allem seiner Familie – Trost von Jesus Christus und die Gewissheit, dass er nun das – nein: den -sehen darf, an den er hier geglaubt hat: Jesus, den gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Die unsichtbare Welt – sie ist unserer sichtbaren Welt so nah!

Und so dürfen wir mit Klaus erkennen, dass die, die uns vorangegangen sind, nicht in erster Linie als „Verstorbene“ zu bezeichnen sind. Er sprach vielmehr von den „Ver-ewigten“, denn sie sind losgelöst von den Begrenzungen dieser Welt angekommen in Gottes Ewigkeit, in der es „kein Leid, keinen Schmerz, keine Tränen und keinen Tod mehr geben wird“ und von der Jesus sagt: „Siehe, ich mache alles neu!“ (Off 21, 5)

In herzlicher Verbundenheit,

Bernd Melchert,

Pfr der Ev. Auferstehungsgemeinde Mehren – Schöneberg

Mehren, im Mai 2020