Das Gemeindehaus in Mehren war am 25. Januar mit circa 70 Besuchern zum Vortragsabend von Axel Reitz – dem ehemaligen Hitler von Köln gut gefüllt. Pfarrer Bernd Melchert begrüßte mit einer kurzen Einleitung die Gäste, den Referenten und Andrew Schäfer, den Sektenbeauftragten der Rheinischen Kirche, der Axel Reitz begleitete. Dann bekam Axel Reitz das Wort, der sehr anschaulich, fesselnd und rhetorisch äußerst begabt von seinem Leben berichtete. Mit 13 Jahren rutschte Axel Reitz in die rechtsextreme Szene, er trat der NPD bei, organisierte Demonstrationen, hielt Hetzreden und nahm schnell führende Positionen in dieser Szene ein. Er wurde mehrfach verurteilt – unter anderem wegen Volksverhetzung – und saß auch mehrfach im Gefängnis. Nach 15 Jahren schaffte er den Ausstieg aus der rechtsextremen Szene. Dem ging ein Prozess voraus, in dem sein Gedankengebäude Risse bekam. Axel Reitz wandte sich an ein staatliches Aussteigerprogramm von NRW und bekam zusätzlich Hilfe von Andrew Schäfer, dem Landespfarrer für Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche im Rheinland. Axel Reitz erzählte, dass damals mit 13 Jahren alles damit begann, dass er für ein Schulprojekt Parteien vorstellen sollte, die nicht im Bundestag vertreten waren. Er bekam dafür die Note „sehr gut“, aber die Unterlagen zu den Rechtsparteien schmiss die Lehrerin ohne Erklärung in den Müll und ging auch auf keine Diskussion ein. Das machte ihn wütend. Daraufhin kontaktierte er die NPD, die ihn einluden und ihn durch Verständnis und Zuhören schnell für sich gewinnen konnten. Axel Reitz erklärte, eine Radikalisierung, egal ob politisch, gesellschaftlich oder religiös, findet immer über die persönliche Ebene statt. Ihm hatte etwas im Leben gefehlt. Er hatte den Eindruck nicht gehört zu werden, was auch an seinem sehr strengen Vater lag. Das Erlebnis mit dem Schulprojekt schlug in die gleiche Kerbe und wurde für ihn zum Trigger-Erlebnis. Doch jetzt waren da Menschen, die das erkannten und ausfüllten. Diese Anerkennung wollte er behalten und hat dafür ihre Parolen und Weltbilder übernommen und war schnell in einer Spirale des Rechtsextremismus, die dann immer ideologischer wurde.
Wenn man so sehr in dieser Szene verstrickt ist, gibt es nicht einen Schlüsselmoment, der zum Ausstieg führt. Es war bei ihm ein langer Prozess, in dem er merkte, dass Anspruch und Wirklichkeit absolut nicht übereinstimmten. Der Ausstieg war für Axel Reitz dann auch harte Arbeit, der mit sehr viel Schmerz, Leid und Scham verbunden war – und Trauer über die verlorenen Jahre. Er sagte, wichtig sei vor allem zu erkennen, warum man in diesen Strukturen war und dann auch die Verantwortung dafür zu übernehmen. Deshalb wollte Axel Reitz sich auch nicht verstecken, oder seinen Namen ändern, obwohl er von der rechtsextremen Szene bedroht und als Verräter angesehen wurde und wird. Im Gegenteil; Axel Reitz ist seit einigen Jahren mit dem Verein „Extremislos“ und seinem Youtube Kanal „Der Reitz-Effekt“ in der Extremismus-Prävention aktiv.
Im Anschluss an den Vortrag gab es die Möglichkeit Fragen zu stellen, die von Axel Reitz bereitwillig beantwortet wurden. Dort machte er noch einmal deutlich, wie wichtig es sei gefährdeten oder auch schon radikalisierten Menschen auf einer persönlichen Ebene zu begegnen und ihre Ängste, Sorgen oder die empfundenen Defizite ernst zu nehmen, denn für rationale Argumente seien sie nicht zugänglich und fühlten sich vielmehr in ihrer Ideologie bestärkt. Er wies auch darauf hin, wieviel raffinierter und geschickter extreme Parteien (auch die AfD) im Vergleich mit
demokratischen Parteien in ihren online-Aktivitäten sind und wie gezielt sie in den sozialen Netzwerken Einfluss nehmen. Es gilt für die demokratische Bevölkerung sehr, sehr aufmerksam zu sein und genau hinzuschauen. Der allgemeine Tenor nach der Veranstaltung war, dass es ein hochinteressanter und aufschlussreicher Abend war.
Petra Bettgenhäuser, Neitersen